Casting |
Tosca

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Manchmal wird man hart dafür bestraft, wenn man etwas daherredet, ohne sich vorher der Konsequenzen seiner Aussage bewusst zu sein
So erging es mir vorletztes Jahr.
Eine Bekannte erzählte mir, dass sie sooooo gerne zu einem Casting für Gerichtsshows ginge, aber leider nicht den nötigen Mut dazu hätte. So etwas war mir nun gar nicht verständlich, wie kann man „Muffensausen“ wegen so einem blöden Casting haben??
Ich schwieg nicht. Oh ihr Götter, warum konnte ich nicht einmal, nur an diesem einen einzigen Tag meine Klappe halten?? Warum musste ich im süffisanten Tone erläutern, dass mir so etwas gar nix ausmache, dass das doch nur ein Klacks sei?
Und die Lawine setzte sich in Bewegung…
Mine: „Ach, du würdest dich trauen?“
Ich: „Natürlich, warum nicht? Ist doch nix dabei, du gehst hin, sagst deinen Spruch und das war's“.
Böse Falle!
Dummerweise hatte ich wirklich keinen Gedanken daran verschwendet, dass ich diese Aussage eventuell unter Beweis stellen müsse …
Na gut, auch zu jenem Zeitpunkt hätte ich ja noch „nein“ sagen können, aber irgendjemand anderes formte in meinem Munde die Worte, und raus kam ein deutliches: „Ja, natürlich gehe ich zum Casting!“ Wenn ich es mir recht überlege, kommt bestimmt daher das Sprichwort, „Jemandem das Wort im Munde rumdrehen.“ Denn: Ich hatte doch gar nicht die Absicht, zum Casting zu gehen. Aber der kleine Kobold, der sich meines Sprachzentrums bemächtigte, wollte mich wohl in Schwierigkeiten bringen.
Aber, jetzt waren die Worte schon mal draußen und ich in Zugzwang…
Also rief ich mal kurz bei Filmpool an. Bis man da 'nen Castingtermin bekommt, vergeht unglaublich viel Zeit und die Angelegenheit gerät schnell in Vergessenheit … So stellte ich mir das vor. Gemeinerweise hatten die auch bereits vier Wochen später ein Castingtermin in meiner Nähe. Das haben die Absichtlich gemacht! Alles hat sich gegen mich verschworen!
Der besagte Tag fing schon hervorragend an:
Am Bahnsteig, an dem der Zug eigentlich abfahren sollte, war auf der Anzeigetafel zu lesen: „Heute verkehrt dieser Zug von Gleis 12.“ Also begab ich mich zum Gleis 12.
Anzeigetafel am Gleis 12: „Dieser Zug verkehrt von Gleis 8, also dem Gleis, von dem er eigentlich abfahren sollte … Was tun? Hier steht dies, dort steht jenes. Soll ich jetzt eine Rundreise beginnen? So von Gleis zu Gleis? Und von welchem Gleis fährt der Zug denn nun wirklich??
Zum Glück war ich in dieser Situation nicht alleine, nein, viele Reisende teilten mit mir das gleiche Schicksal. Nach kurzer Beratung kamen wir überein, einfach mal nachzufragen. Also, wer immer diese Idee hatte, ich hätte ihn knuddeln können. Denn wahrhaft: Das war eine gute Idee.
Die Auskunft lautete: Am Gleis 8. Also wir wieder zurück zum Gleis 8. Kurze Zeit später erschien auf der Anzeigetafel ein Hinweis: Der Zug verkehrt heute 20 Minuten später …
Na gut, ich war ja rechtzeitig dran, eine Verzögerung von sogar einer halben Stunde konnte mir nix anhaben, ja sogar 45 Minuten wären kein Problem …
Der Zug hatte eine Stunde Verspätung…
War ich eigentlich genervt, war ich sauer? Oh nein, so etwas lag mir nun wirklich fern:
Ich war stinksauer, hätte toben und den Zug auseinander nehmen können. Und immer wieder drängte sich mir die gleiche Frage auf: „Warum habe ich nicht einfach meinen Mund gehalten, als es um dieses blöde Casting ging?“
Dank Taxi-Fahrer mit "Bleifuß" schaffte ich es noch rechtzeitig ins Hotel, wo das große Ereignis stattfand.
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04.10.2007 10:23 |
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Tosca

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So ein Casting läuft in drei Ebenen ab: Zuerst mal eine imaginäre Busfahrt, man kommt sich vor, als wäre man nicht ganz dicht …
Auf dem Boden ist ein Rechteck aufgezeichnet, das soll er Bus sein. Vor der imaginären Fahrt muss jeder einzelne sich vorstellen und erklären, warum er zum Casting gekommen ist. Aber, es wird gleich gesagt, nur wegen Spaß an der Freude, das wollen die nicht hören ... nein, nein.
Na gut, egal ich war ja wirklich nicht wegen Spaß an der Freude angereist und habe das auch gesagt. Es war eben mein vorlautes Mundwerk, das mich in diese missliche Lage gebracht hat …
Wie peinlich war mir das doch, hier vor allen bekennen zu müssen, dass ich keine großen Ziele verfolge, mir nicht durch Gerichtsshows ein zweites Standbein als Schauspielerin schaffen zu wollen, weil ich grade arbeitslos bin ...
Oh, ich Unglücksrabe aber auch, ich bin die einzige, die zugeben muss, dass sie nur wegen eines blöden Versprechers hier ist. Alle anderen haben so edle Motive und Ziele, das mir beinahe übel wird, ob meiner eigenen Ignoranz.
Ich träume nicht von der großen Karriere, die nun beginnen soll. Schließlich haben es schon Hunderttausende geschafft, von der Gerichtsshow auf die große Bühne, zu Film und Fernsehen…
Was braucht man Schauspielunterricht? Nein, nur ein kleines Casting bestehen und die Welt der Großen und Reichen öffnet sich ...
Na ja, die Busfahrt beginnt. Und pfiffig, wie ich nun mal bin, ist mir sofort klar, die wollen Action sehen. Die wollen sehen, wie man sich so richtig schön zum Deppen macht und ich mache mich zum Deppen.
Bei der Fahrt zur Arbeit, morgens früh um sechs Uhr, erzähle ich meiner Nachbarin von meinem Wochenende, dass ich nebenher Schwarzarbeit mache, um meiner Tochter das Internat zu bezahlen. Ich finde, die Story hat was. Ist ja auch ein bisschen Kriminalität drin …
Normalerweise würde ich um diese Zeit im Bus das Gleiche tun, was alle anderen so machen: Vor mich hindösen! Also, diese Fahrt im Bus, doch doch, die ist so was von real …
Und die Filmpool-Leute schleichen durch die Menge …
Ach ja, jeder von uns hat natürlich eine Nummer an die Kleidung geheftet bekommen …
Die Fahrt in Stadion, die ist dann der Oberhammer. Das ist meine Welt! Ja, wenn ich so mit dem Bus fahre, dann gröhle ich immer schön laut, damit alle was davon haben. Und wir gröhlen, ich glaube mein Tommelfell platzt. Nur ist mir nicht so recht klar, ist es mein eigens blödes Rumgeplärre oder das des Nebenmannes? Nun ja, egal.
Und die Filmpoo-Leute schleichen durch die Menge …
Zwischenzeitlich erwäge ich, nicht mehr ganz dicht zu sein ...
Habe ich irgendwann versprochen, dieses Casting auch zu bestehen? Ich habe lediglich eingeräumt, dass ich dort hingehen würde. Na und das habe ich ja wohl getan. Also: Ende der Fahnenstange. Ich steige aus. Zeige denen eine lange Nase …
Nix mache ich! Irgendwie packt mich der Ehrgeiz, so war das leider schon immer bei mir. Irgendwie will ich jetzt doch glatt dieses wirklich blöde Casting bestehen, und wenn ich über Leichen gehen muss. Das will ich durchziehen.
Während ich gröhlend nebenbei meinen Gedanken nachhänge, erklingt eine Glocke, das Signal für eine neue Situation:
Wir fahren zur Beerdigung. Gut, der Bus wird ruhig. Ich erzähle meiner Sitznachbarin, dass ich den Verstorbenen sehr vermissen werde. Ich war beruflich mit ihm eng verbunden und das steckt man dann doch nicht so einfach weg. Die Sitznachbarin ihrerseits erzählt mir wiederum, dass sie den Kerl nicht bedauert.
Und die Filmpool-Leute schleichen durch die Menge …
Endlich, die Busfahrt ist zu Ende.
Wir gehen alle wieder brav auf unsere Plätze und harren der Dinge, die da kommen
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04.10.2007 10:25 |
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Tosca

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Nach kurzer Zeit der Beratung ist das mehrköpfige Gremium so nett und lässt uns an seinen Beschlüssen Teil haben. Es wird uns erklärt, dass leider nicht alle genommen werden. Natürlich waren wir, jeder für sich wunderbar, ja wir haben oscarreif gespielt. Doch leider haben die einen etwas oscarreifer als die anderen gespielt...
Ach ja, ganz wichtig: Wir bekamen gleich zu Anfang so eine Art Laufzettel ausgehändigt. Auf dem die wichtigsten Dinge über uns vermerkt waren: Kleidergröße. Schuhgröße… Damit kommt man von Station zu Station …Überall muss man seinen Zettel abgeben …
Und die Halbgötter von Filmpool, die über das Schicksal der versammelten kleinen Hamlets und Buhlschaften entschieden, gab fleißig Laufzettel aus.
Oh, wie grausam kann das Leben sein: Meine Sitznachbarin, die mir auch im Bus treu zur Seite stand, bekommt ihren heiligen Zettel, den, der über Freud und Leid entscheidet, ausgehändigt. Ich nicht.
Kann das sein? Darf das sein? Ich, ausgerechnet ich, die ich doch eine so grandiose Busfahrt hingelegt habe, ich soll nicht bei den Auserwählten sein?
Oh, wie ungerecht ist doch das Schicksal!
Hallo? Was soll denn das, das Schicksal ist ungerecht? Ich wollte doch gar nicht genommen werden und nun ist es genauso gekommen, wie ich es mir gewünscht habe. Nur leider war da noch dieser blöde Ehrgeiz.
Maßlose Enttäuschung macht sich in mir breit.
Die “Auserwählten“ werden aus dem Raum geleitet, nicht ohne gesagt zu bekommen, dass vor der Tür jemand wartet, der sie weiter führen wird.
Meine Nachbarin wirft mir einen mitleidigen Blick zu und ist ganz offensichtlich erleichtert, die erste Hürde geschafft zu haben. Neidisch schaue ich ihr nach, bis sie meinem Blick entschwindet.
Alle, die einen Laufzettel bekommen haben, sind draußen und nun besitzt der Oberprüfer tatsächlich die Stirn zu fragen, ob wir denn nun enttäuscht seien, es nicht geschafft zu haben. Wir, der kleine Haufen, der nun völlig apathisch in dem großen Raum verblieben sind, im dem die wundervolle Busfahrt stattgefunden hatte.
Ach, hätte ich noch einmal die Gelegenheit, mit diesem wundervollen Bus zu fahren. Ich würde nicht mehr denken, dass das blöde ist, nein, mein ganzes Herzblut würde ich in diese Fahrt legen. Ich würde mein ganzes Intimleben im Bus ausbreiten, während der Fahrt zur Arbeit. Auf dem Weg ins Stadion würde man keinen lauter gröhlen hören als mich. Ja, ich wäre sogar bereit, meinem Nebenmann eine imaginäre Bierflasche auf dem Kopf zu zertrümmern. Und erst bei der Fahrt zum Friedhof: Ich würde laut klagen und jammern, nicht so ruhig und gefasst von den wunderbaren Mann, mit dem ich nun nie mehr geschäftlich verbunden sein werde, erzählen.
Ich bin den Tränen nahe, was bildet dieser Typ sich ein, uns noch so süffisant eins reinzuwürgen, musste das wirklich sein. Hätte er nicht etwas gefühlvoller vorgehen können??
Inmitten meines übergroßen Selbstmitleids höre seine Stimme, die eiskalt weiter redet …
"Ihr habt keinerlei Grund traurig zu sein, denn ihr habt es ja geschafft.“
Ich habe mich bestimmt verhört … Aber nein, der Typ grinst selbstgefällig vor sich hin und begründet seinen makaberen Streich damit, dass es doch für die anderen besser wäre, sie erfahren von ihrem Karriere-Ende, das so rasch kam, vor der Tür.
"Der Dummsau der, da mache ich mir Vorwürfe, weil ich im Bus nicht gut genug war und in Wirklichkeit spielt der nur Spielchen. "
Mir fällt meine Sitznachbarin ein, die mich so mitleidig angeschaut hat, sie wollte sich doch ein zweites Standbein mit der Schauspielerei schaffen. Komisch, sie ist arbeitslos, hat also nicht mal ein erstes Standbein und nun auch noch dieser Schlag. Doch, in der Kunst ist jeder sich selbst der Nächste und so verschwende ich keinen weiteren Gedanken an sie und ihr Schicksal.
Vielmehr starre ich aufgeregt in Richtung Tribunal, denn dort tut sich jetzt was. Wir dürfen alle nach vorne kommen und uns unseren heiß begehrten Laufzettel abholen.
Schnell eile ich nach vorne, bei den Filmleuten weiß man ja nie, vielleicht überlegen die es sich noch anders und streichen mich doch noch von ihrer Liste.
Vorne angekommen, wird mir nebst meinen so geliebten Laufzettel auch noch eine Rolle ausgehändigt und ein Partner zur Seite gestellt. Die Rolle ist eine Zeugenaussage in einer Gerichtsverhandlung und mein Partner hat genauso wie ich den ersten Teil des Castings überstanden. Gleichzeitig bekommen die Frauen ein Statement über Männer und die Männer ein solches über Frauen ausgehändigt.
Welch ein Tag! Ich kann mein Glück kaum fassen. Ich muss nicht alleine spielen, nein, ich bekomme Unterstützung (auf die Unterstützung werde ich später noch zu sprechen kommen).
Als alle angehenden Schauspieler versorgt sind, geht es ab ins nächste Zimmer, dort dürfen wir unsere Rolle und das Statement, schon mal für ne halbe Stunde anschauen …
Mein Partner macht sich sofort eifrig daran, die Rolle Wort für Wort auswendig zu lernen. Vorsichtig gebe ich mal zu bedenken, dass es sich hierbei um zwei DIN A 4-Seiten handelt und es sehr unwahrscheinlich ist, dass wir das in der kurzen Zeit wirklich lernen können. Dazu kommt ja noch das Statement.
Aber irgendwie habe ich den Einwand nicht so richtig glaubhaft rüberbringen können. Er lernt brav weiter Wort für Wort.
Ich lese die Story durch, denke mir, ein zweites Mal kann auch nicht schaden, danach weiß ich ziemlich gut, worum es eigentlich geht. Dann schaue ich mal in das Statement und da wird mir leicht übel, da sind jede Menge wichtige Punkte drin. Und die meisten davon sollte man ja schon irgendwie anbringen. Hier sehe ich das größte Hindernis und folglich mache ich mich dran, mal ein paar Punkte auswendig zu lernen.
Nach 25 Minuten halte ich den Zeitpunkt für günstig, mal mit meinem Partner, mit dem ich ja immerhin diese Szene spielen soll, eine Probe zu wagen. Es klappt auch wunderbar, denn er hat ja inzwischen schon vier Sätze auswendig gelernt. Na gut, den Rest suchen wir mühselig aus dem Blatt zusammen, denn so weit war er ja noch gar nicht mit lernen.
Und wieder geht es ab in einen weiteren Raum. Zum Glück hat das Hotel reichlich von denen und so brauche ich mir keine Sorgen zu machen, dass denen die Räume ausgehen könnten während des ganzen Procedere.
Wir, so ungefähr 20 Leute, sitzen im Kreis und üben fleißig weiter an unserer Rolle. Einer meiner Nachbarn erzählt mir, dass er seit bald 30 Jahren verheiratet sei und noch nie mit seiner Frau gestritten habe. Ich denke: „Man, muss es da langweilig sein.“ Laut sage ich: „Das finde ich ja wunderbar, ja da merkt man doch, dass du und deine Frau zueinander gehören.
In „Schauspielerkreisen“ duzt man sich.
Dann kommt Leben in die Bude. Ein Schauspielschüler prüft mal kurz, was wir in der letzten Dreiviertelstunde so gelernt haben. Aber zunächst erklärt er uns die Fakten, die Dinge, die sehr wichtig sind, damit wir auch wissen, um was es geht. Er erklärt uns das Statement für Frauen und Männer. Dann will er hören, ob wir auch verstanden haben, was er uns beigebracht hat. Also müssen wir einer nach dem anderen unser Statement abgeben. Der Mann ist äußerst schmerzempfindlich und lässt uns daher nur ein zwei Sätze sagen. Vielleicht steht er aber nur unter Zeitdruck.
Wir sollen ein bisschen aus der Rolle vorspielen. Mein Partner und ich mühen uns redlich durch die Handlung und ich denke: "Das muss besser werden, das muss unbedingt besser werden."
Kurze Zeit später ist der Schauspielschüler verschwunden …
Als er wieder kommt, gibt er den meisten von uns die Laufzettel zurück und erklärt uns, dass wir wieder in den Lernraum zurückgehen dürfen und nun aber ganz lieb und brav lernen sollen.
Spätestens jetzt packt mich der Ehrgeiz von neuem. Ich will dieses Casting bestehen, koste es, was es wolle.
Beim Schauspielschüler habe ich festgestellt, dass die sehr viel Wert auf dieses blöde Statement legen. Na gut, das können die haben. Ich lenke meine Gesamt Aufmerksamkeit auf den Text. Damit ich mich besser konzentrieren kann, verlasse ich den Lernraum und gehe lieber im Gang auf und ab.
Damit ich höre, wie meine Worte so klingen, murmle ich vor mich hin: „…doch, doch, ich mag Männer wirklich, aber warum reduzieren die mich immer nur auf Beine und Busen, ich habe doch auch Augen, aber das interessiert die nicht … Männer sind halt doch anders als Frauen …“
Ein Filmpool-Mitarbeiter kommt mir entgegen und begrüßt mich mit: …Eitel sind Männer, stehen vor dem Spiegel und bewundern, wie toll sie sind.“
Darauf ich: Ja, aber ganz ohne Männer ist das Leben auch nicht besonders …“
Er lächelt mich an: „Und wenn sie mal krank sind, heulen sie nur so rum…“ So geht es weiter. Wir werfen uns die Bälle zu. Es ist wirklich witzig.
Bevor sich unsere Wege trennen, meint mein Sparringspartner noch: „Wenn du das nachher so bringst wie jetzt, dann schaffst du es.“ Dieses kleine Spiel auf dem Gang, das werde ich immer in Erinnerung behalten.
Langsam sollte ich mal wieder nach meinem Partner schauen. Der ist noch mit Auswendiglernen beschäftigt. Ich gebe es auf, jetzt habe ich mehrfach versucht, ihm zu erklären, dass er sich nur die Handlung merken und viel lieber an sein Statement über Frauen gehen soll.
Eine Stunde später ist es so weit: Wir werden gerufen. Ein freundlicher junger Mann von Filmpool, nimmt uns (Partner und mich) und noch zwei junge Männer mit in ein Zimmer, in dem eine Kamera aufgebaut ist und so was ähnliches wie eine Leinwand hängt.
Irgendwie werde ich wahnsinnig nervös. Hoffentlich vergesse ich meinen Text nicht … Text, welchen Text? Um was geht es in dem Fall eigentlich? Das habe ich doch glatt vergessen. Mein Kopf ist leer, absolut leer. Das kann ja heiter werden. Ich werde mich blamieren, hoffnungslos blamieren.
Ich habe noch ein bisschen Galgenfrist. Zuerst sind die drei Männer dran, die geben brav ihr Statement über Frauen ab. Es läuft relativ glatt. Mein Partner muss immer längere Zeit überlegen, aber na ja, das muss man doch auch, wenn es um ein solch schwieriges Thema geht.
Schwupps bin ich dran, irgendwie verging die Wartezeit einfach schneller als sonst. Also dann beginne ich mal mit meinem Statement. Das Herz klopft mir bis zum Hals, die ersten Worte sind gar nicht so leicht zu formulieren, aber dann sprudeln sie wie eine muntere Gebirgsquelle aus mir raus. Ich lasse nichts aus, parodiere sogar einen dicken Mann vor dem Spiegel, der sich ganz toll findet. Huh, was ist das? Ich bekomme Applaus, sogar der Filmpooler klatscht kurz in die Hände … Das finde ich richtig nett von denen, dass die der einzigen Frau im Raume Beifall spenden.
Puh, das war gar nicht so einfach, wie ich mir das so vorgestellt hatte. Jetzt muss ich mich erst mal eine Weile ausruhen. Zum Glück ist erst das andere Paar an der Reihe seinen Fall zu spielen …
Ich schaue sehr interessiert zu und ich muss sagen, die beiden sind einsame Spitze, die bringen das wirklich gut rüber. Ich bin begeistert und ich bin überzeugt, die bekommen garantiert eine Rolle.
Oh weh, jetzt wird es noch mal ernst. Mein Partner und ich sind dran. Der freundliche junge Mann von Filmpool fungiert nicht nur als Kameramann, nein, er ist auch gleichzeitig der Richter, vor dem wir unsere Aussagen machen müssen.
Natürlich muss ich anfangen, wäre ja sonst auch zu einfach für mich… Und so erzähle ich dem Richter, dass der Neffe dieses verrückten Kerls meine Tochter mit einem Luftgewehr erschießen wollte, sein Ziel aber zum Glück verfehlt hat, aber meine arme Tochter fiel trotzdem vom Baum und brach sich dabei das Bein.
Jetzt ist mein Partner dran …
Und der ist immer noch dran …
Und der sagt nix …
Und wie war das doch gleich noch mal mit dem: Der kann mich ja unterstützen? Sieht so Unterstützung aus?
„Verdammt, warum habe ich mich nicht mehr um den gekümmert? Ich hätte den abfragen müssen, aber mich hat es genervt, dass er alles Wort für Wort auswendig lernen wollte und das kann man halt nicht“ und nun steht er da und sagt keinen Ton. Und ich bin schuld, ich hätte nicht mit dem Filmpool-Mann auf dem Gang das Männer-Statement durchgehen sollen, sondern mich viel eher um meinen armen Partner kümmern sollen.
Also hole ich kurz Luft und lege sofort los:
„Herr Richter, glauben sie nicht, dass der so lammfromm ist, wie er hier tut. Nein, nein, das ist der Kerl nicht, ganz im Gegenteil, der ist ein ganz hinterhältiges Subjekt. Der tut jetzt nur so, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.“
Ich mache eine Pause, denn jetzt habe ich wirklich ordentliche Vorarbeit für ihn geleistet …
Es kommt nix, aber auch gar nix.
Noch nicht mal „muh“ sagt der.
Aufs Neue lege ich los:
„Wissen sie Herr Richter, ich hatte mal ein Verhältnis mit dem Kerl, na ja, stolz bin ich nicht drauf, aber es war halt im Fasching. Und was glauben sie, Herr Richter, der hat mich gängeln wollen. Er wollte mich heiraten, ich sollte fortan zu Hause bleiben, mich um Küche und Kinder, die er fleißig mit mir produzieren wollte, kümmern. Herr Richter, können sie sich das vorstellen? Sehe ich so aus, als könnte man mich einfach so einsperren? Da habe ich dann die Konsequenzen gezogen und mich sofort von ihm getrennt".
Plötzlich wird mein Partner munter. Er weiß wahrlich nicht viel aus dem Drehbuch, irgendwie hat das Wort für Wort lernen bei ihm nichts gebracht oder ist er ganz einfach zu aufgeregt, aber eines blieb ihm im Gedächtnis.
Er: „Die war im Bett sowieso kalt wie ein Fisch und schön gesoffen habe ich die mir auch noch.“ Das war der einzige Satz, der von ihm kam.
Am Ende des Castings bekamen wir gesagt, ob wir es geschafft haben, in die erstrebte Kartei zu wandern, aus der die vielen, vielen Komparsen für die vier Filmpool-Produktionen "Niedrig und Kuhnt", "Richtetrin Barbara Salesch", "Das Familiengericht" und "Zwei bei Kallwass" gezogen werden.
Die beiden jungen Männer haben es ohne Frage geschafft, die waren wirklich gut.
Dann widmet der Prüfer sich meinem Partner und meint, das sei nun wirklich schwierig, er habe ja kaum den Mund aufgemacht und sicher hätte er bemerkt, dass ich ihn immer zu ziehen versucht habe. Ich hätte ja die ganze Verhandlung beinahe alleine gespielt.
Ich lächle mal den netten Filmpooler an und weise ihn darauf hin, dass mein Partner doch nur nervös gewesen sei, und dass sich das beim Dreh bestimmt alles legen würde.
Nach kurzer Diskussion, in die wir meinen Partner nicht einbezogen haben - warum sollten wir auch, der hat ja die ganze Zeit das Maul gehalten, dann kann er es jetzt auch - einigen wir uns auf eine kleine Rolle für ihn.
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04.10.2007 10:26 |
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Tosca

Gelegenheitstrinker
 

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Dann verabschiedet sich der Filmpooler von uns. Ich stehe da, wie ein begossener Pudel. Zaghaft erkundige ich mal, was denn nun mit mir ist. Er schaut mich groß an und fragt, ob ich wirklich noch eine Bestätigung brauche. War denn der Applaus nicht genug? Natürlich bin ich in die Kartei aufgenommen.
Leicht und beschwingt verlasse ich den Raum. Ich habe es geschafft, ich habe es geschafft …
Am Aufzug treffe ich noch auf meinen „Sparringspartner“ und überbringe ihm sofort die frohe Kunde und ich habe den Eindruck, der freut sich wirklich für mich.
Bevor ich wie auf Wolken das Hotel verlasse, verabschiede ich mich noch kurz von meinen Partner und wünsche ihm viel Glück.
Mit mir und der Welt bin ich in diesem Moment sehr zufrieden und langsam realisiere ich auch, dass nicht etwa ich daran schuldig war, dass mein Partner kein Wort herausbekam, denn geprobt hatte ich ja mit ihm. Vielmehr lag es daran, dass er krampfhaft versuchte, die beiden Schreibmaschinenseiten auswendig zu lernen. Das konnte in der kurzen Zeit nicht klappen und war auch gar nicht gefordert.
So, nun war ich in der Kartei, aber würden die sich ernsthaft bei mir melden?
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04.10.2007 10:27 |
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Nuno MAX Gomes
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gibts das ganze auch in ner kurzversion?
__________________ Oberstudienrat il Professore Freiherr von und zu Nuno Gomes
"standesamtlich" verurteilt aufgrund eines Verstoßes gegen das Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz!
Lignano 26.07.07
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04.10.2007 10:27 |
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Cheffe

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ein vierfach post!
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04.10.2007 10:30 |
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Tosca

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| Zitat: |
Original von Nuno MAX Gomes
gibts das ganze auch in ner kurzversion? |
Ja gibt es:
Ich war beim Casting und wurde angenommen. Später spielte ich auch in einer Episode mit.
Kurz genug?
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04.10.2007 10:33 |
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Cheffe

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coole geschichte!
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04.10.2007 10:35 |
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Tosca

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Cheffe, das sit kein Vierfach-Post, sonder eine Geschichte, die ich in Vier teile aufteilen musste, um sie hier zu posten.
Wenn du sie am Stück lesen willst, dann musst du halt hier klicken.
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04.10.2007 10:36 |
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Ypsilon

Teddybärenstreichler
   

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Cool -- ist das eine wahre Geschichte?
__________________ Yps
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04.10.2007 11:53 |
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Tosca

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Ja, ist eine wahre Geschichte. Das habe ich mir ausnahmsweise nicht aus den Fingern gesogen. Da ist die ganze Geschichte wahr. Ich habe mal bei der Serie Niedrig und Kuhnt mitgespielt.
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04.10.2007 11:58 |
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Ypsilon

Teddybärenstreichler
   

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Gratulation -- und hast Deine Schauspielkarriere dann nicht weiterverfolgt???
__________________ Yps
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04.10.2007 13:02 |
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Tosca

Gelegenheitstrinker
 

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Karriere? Welche Karriere? Mir sit wirklich kein Laiendarsteller bekannt, der es von einer Gerichtsshow zur Schauspielerei geschafft hätte.
Das ist ja das Schlimme, dass du junge Arbeitslose ankommen und denken, nach so einem Auftritt regnet es die große Kohle, da braucht man dann nix mehr zu tun, die Angebote falttern massenhaft ins Haus.
Nein, das ist wirklich nicht der Fall. Nach dem Dreh ist am am Set nur ein Störfaktor, der schnellsten verschwinden sollte. Und genau damit haben manche große Probleme. Aber so ist es halt.
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04.10.2007 14:29 |
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