Geschrieben von Spider am 05.06.2008 um 09:17:
Skandal nach Panne im AKW Krsko
Atom-Alarm in Europa: Nach einem Zwischenfall im Primärkreislauf des slowenischen Atomkraftwerks Krsko hat die EU-Kommission am Mittwoch europaweiten Alarm ausgelöst. Im Hauptkühlsystem des Atomkraftwerks war Kühlflüssigkeit ausgetreten. Der Skandal: Das Leck wurde um 15.00 Uhr entdeckt und erst um 17.38 Uhr der EU gemeldet, die den europaweiten Alarm wiederum erst zwei Stunden später ausgelöst hat! Und: Dem österreichischen Strahlenschutz wurde der Zwischenfall von den Slowenen nur als Übung gemeldet. Es stellt sich die Frage: Wie sicher sind wir, wenn wirklich Strahlung austritt? Umweltminister Pröll will heute beim Umweltministerrat in Luxemburg Protest einlegen und volle Aufklärung verlangen.
Der Vorfall ereignete sich am Mittwoch im Primärkreislauf des AKW, im Containment, bestätigte die Sprecherin der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft, Maja Kocijancic. "Es war keine Übung", sondern es sei ein Leck aufgetreten. Es sei Kühlflüssigkeit durch ein Leck in der Nähe der Primärwasserpumpe ausgelaufen, jedoch keine Radioaktivität entwichen und keines der Brennelemente beschädigt worden. Für Menschen und Umwelt bestehe keine Gefahr.
Kraftwerk heruntergefahren
Der Vorfall im Primärkreislauf des AKW wurde am Mittwoch gegen 15.00 Uhr entdeckt, gegen 19.30 Uhr wurde das Kraftwerk vollständig abgeschaltet. Bei der EU ist um 17.38 Uhr ein Alarm aus Slowenien eingangen. Nach Angaben der EU-Kommission wurde das Notfallsystem zum Informationsaustausch bei radioaktiven Vorfällen (ECURIE) zur Information aller 27 EU-Staaten eingeschaltet.
Für die Behebung des Fehlers werden nach Erwartungen der Atombehörde einige Tage gebraucht, denn das Atomkraftwerk muss zuerst vollständig abkühlen. Man erwartet keine weitere Verschlechterung des Zustandes. Wie der Chef der Atomsicherheitsbehörde, Andrej Stritar, am Mittwochabend im öffentlich-rechtlichen TV Slovenija sagte, handle sich nach Angaben aus dem Atomkraftwerk um einen Fehler bei einem "der kleineren Komponenten".
Slowenen meldeten "Übung"
Das Umweltministerium in Wien bestätigt ebenfalls, dass keine erhöhte Radioaktivität in Österreich gemeldet wurde. "Auch wenn es offenkundig zu keinem radioaktiven Austritt in Krsko gekommen ist, sehe ich das Vertrauen in die Alarmierung durch Slowenien massiv infrage gestellt", erklärte Umweltminister Josef Pröll (V), der von Slowenien umgehend Aufklärung über den Vorfall verlangt.
Pröll will insbesonders wissen, wie es dazu kommen konnte, dass ein Vorfall im Primärkreislauf dem österreichischen Strahlenschutz lediglich als Übung gemeldet wurde, während gleichzeitig über das ECURIE-Warnsystem der EU ein europaweiter Alarm ausgelöst wurde, sagte der Minister am Mittwochabend. Pröll will am Donnerstag beim Umweltministerrat in Luxemburg Protest einlegen. Laut dem Chef der slowenischen Atomsicherheitsbehörde sei es zu der Fehlinformation gekommen, weil man aus Versehen zunächst ein falsches Formular benutzt hatte.
Experte: AKW Krsko "im Prinzip ein gutes Kraftwerk"
Der Leiter des Instituts für Risikoforschung der Universität Wien, Wolfgang Kromp, beurteilt das slowenische AKW Krsko nach dem Zwischenfall vom Mittwoch als "im Prinzip gutes Kraftwerk". Kromp war 1992 Mitglied einer internationalen Kommission, die den Atommeiler analysierte. Damals seien viele Fehler identifiziert worden. "Das meiste wurde zwischenzeitlich behoben", sagte der Atom-Experte am Abend in der "ZiB 2".
Der "verbleibende Mangel" sei die Tatsache, dass Krsko "am falschen Platz steht", nämlich auf einer seismologischen Bruchlinie und damit in einem Erdbeben gefährdeten Gebiet. Kromp würde sich wünschen, dass die AKW-Betreiben diesbezüglich nachrüsten.
Warnung der Bevölkerung verabsäumt?
"Eine Störung des Kühlsystems im Primärkreislauf ist kein harmloser Zwischenfall, dafür spricht auch die Auslösung des europaweiten Alarms durch die EU-Kommission. Es ist aufklärungsbedürftig, warum nicht der Umweltminister die Bevölkerung warnt", kritisierte die stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig.
Umweltverbände alarmiert
Auch diverse Umweltschutzorganisationen zeigten sich alarmiert: Greenpeace Deutschland stuft eine europaweite Warnung als "sehr ungewöhnlich" ein. Auch Global 2000 ist besorgt. "Es ist beunruhigend, dass wir so wenig wissen", sagte Sprecherin Silva Herrmann. "Wir werden hinfahren, um die Unklarheiten zu beseitigen und unabhängige Messungen durchführen."
Atomstopp_oberoesterreich betonte: "Die Auslösung des europaweiten Alarms durch die EU-Kommission wegen des AKW-Unfalls in Krsko verunsichert die Menschen in Österreich zutiefst!"
Das Atomkraftwerk Krsko wurde vor 31 Jahren vom US-Konzern Westinghouse gebaut und ist das einzige AKW auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien. Das Kraftwerk befindet sich auf slowenischem Territorium, gehört aber je zur Hälfte den beiden ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien. Es produziert derzeit 20 Prozent des slowenischen und 15 Prozent des kroatischen Strombedarfs.